adrianoesch

über die schweizer demokratie und liquid democracy

In internet & gesellschaft, random on 2. November 2011 at 22:49

ich habe heute zwei freunden versucht das konzept der liquid democracy zu erklären. dabei hat sich beim vergleich zur schweizer demokratie eine parallele ergeben, die ich interessant finde.

das demokratische system der schweiz lässt im vergleich zu anderen ländern sehr viel direkte demokratie zu. das ist unter anderem ein grund, wieso sich die schweizer so dermassen wehren, der EU beizutreten, denn sie fürchten deren verlust oder einschränkung.

im grunde ist das poltische system der schweiz eine repräsentative demokratie, wie die der meisten länder, mit dem unterschied, dass hierzulande jeder entscheid des parlaments durch ein referendum angefochten werden kann. ein referendum ist quasi das vetorecht des volkes, welches dadurch wahrgenommen werden kann, dass, wenn eine gewisse anzahl unterschriften gesammelt wurden, eine volksabstimmung erzwungen werden kann. das heisst: gefällt einer gruppe nicht, was die repräsentanten in bern für gesetze erlassen (psychologisch gesprochen: ist das arousal hoch genug; oder in den worten von peter kruse: wenn sich ein netzwerk in erregung versetzt), haben sie die möglichkeit durch unterschriften-sammeln, ein bindendes volksvotum einzuholen. es ist also ein ständiger kampf zwischen volk und parlament vorhanden. interessensgruppen können immer mit dem referendum drohen. das parlament ist also bemüht darum, möglichst mehrheitsfähige entscheide zu fällen. es besteht ein spannendes verhältnis zwischen direkter und indirekter demokratie.

die liquid democracy funktionniert ähnlich, nur ist es von vornherein direkt demokratisch. in der liquid democracy kann jeder zu jederzeit sein stimmrecht wahrnehmen. alle können zu jeder entscheidung ihre stimme abgeben. fühlt sich der stimmbürger hingegen zu wenig kompetent, hat die zeit oder lust nicht (psycholgisch gesprochen: ist das arousal zu niedrig), so kann er seine stimme in einem themenbereich an eine person seiner wahl delegieren.

die ansätze sind ähnlich. beide systeme sind eine mischung aus direkter und indirekter demokratie. sie unterscheiden sich jedoch dahingehend, dass liquid democracy zuerst direkt demokratisch ist, und nur wenn man seine stimme – aus was für gründen auch immer – nicht abgeben will, diese delegiert werden kann. in der schweiz ist die demokratie zuerst repräsentativ. nur wenn das volk unzufrieden ist, kann es eine direkte einflussnahme bewirken.

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